Eine HIV-Infektion Behandeln

Auch wenn die beste Nachricht noch aussteht – vollständig geheilt werden kann eine HIV-Infektion bisher nicht – haben Betroffene heute allen Grund, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Denn die modernen Behandlungsmöglichkeiten sind so gut, dass auch mit HIV ein langes und gutes Leben möglich ist.

Das Virus stoppen: Die antiretrovirale Therapie

HIV ist ein sogenanntes Retrovirus, ein Erreger, der seine Erbinformation in Körperzellen einschleust und diese zwingt, weitere Viren zu produzieren. Antiretrovirale Medikamente unterbrechen den Lebenszyklus der Viren und stoppen dadurch die Vermehrung. Je nach Angriffspunkt werden sie in verschiedene Wirkstoffgruppen eingeteilt. Einige beeinflussen den Stoffwechsel in von HIV befallenen Zellen und verhindern, dass dort neue Viren produziert werden. Andere verhindern bereits den Eintritt des Virus in die Zelle oder aber den Einbau der Virus-Erbinformationen in die Wirtszelle. Ziel ist es in jedem Fall, die Vermehrung der Viren zu verhindern. Wie gut dies gelingt, kann die Bestimmung der sogenannten „Viruslast“ zeigen, der Menge von HIV im Blut.

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Viruslast

Neben der Zahl der T-Helferzellen ist die Virusmenge pro Milliliter Blutplasma, „viral load“ oder Viruslast genannt, ein wichtiges Maß für die Wirksamkeit der antiretroviralen Behandlung. Schlägt sie gut an, sinkt die Viruslast im Blut rasch; ein Ansteigen hingegen bedeutet, dass die eingesetzten Medikamente an Wirksamkeit verlieren. Mit einem Wechsel der Medikamente kann darauf reagiert werden. Die Viruslast wird in einer Blutprobe mit Hilfe einer speziellen Laboruntersuchung, der Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR), bestimmt. Diese Untersuchung weist Teile der Erbsubstanz des HIV in einer Blutprobe nach. Ziel der HIV-Therapie ist es, die Viruslast so zu verringern, dass sie mit der PCR nicht mehr messbar ist, also unter der Nachweisgrenze liegt.

Die Wirkstoff-Gruppen

  1. Nukleosidartige Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) und
  2. Nicht-nukleosidartige Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)Beide Wirkstoffe hemmen die Reverse Transkriptase, ein Enzym, das für die Neubildung und Verdoppelung der Erbinformation des HIV verantwortlich ist. Ist die Reverse Transkriptase blockiert, wird die Erbinformation nicht weitergegeben und es können keine neuen Viren gebildet werden.
  3. Protease-Inhibitoren (PI): Wird das Enzym Protease durch Protease-Inhibitoren blockiert, kann eine HIV-infizierte Zelle zwar Virusbestandteile produzieren. Diese werden aber nicht richtig zusammengesetzt und in der Folge werden nur unreife Viren gebildet, die andere Zellen nicht infizieren können.
  4. Entry-Inhibitoren: Kann ein HIV nicht in seine „Zielzelle“ eindringen, hat es keinen Ort, um sich zu vermehren: Dieses Prinzip liegt den Entry-Inhibitoren zugrunde. Sie stören den Kontakt des Virus mit bestimmten Rezeptoren auf der Oberfläche der Helferzellen und verhindern so, dass HIV in die Zelle gelangt.
  5. Integrase-Inhibitoren: Integrase-Inhibitoren hemmen das HIV-eigene Enzym Integrase, das für den Einbau der Erbinformation der Viren in die Erbsubstanz der Wirtszelle wichtig ist.

Stark durch Zusammenwirken

Besonders wirksam ist die HIV-Therapie, wenn Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen gemeinsam eingesetzt werden („Kombinationstherapie“). Meist werden drei verschiedene Medikamente kombiniert, die an unterschiedlichen Stellen in den Lebenszyklus von HIV eingreifen. In den Anfangszeiten der Kombinationstherapie bedeutete dies für Betroffene, täglich eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen zu müssen. Heute stehen Kombinationspräparate zur Verfügung, die mehrere Wirkstoffe in einer Tablette enthalten, so dass jeden Tag nur wenige Tabletten – im besten Fall nur eine – eingenommen werden müssen. „Stark durch Zusammenwirken“ gilt aber auch in einer anderen Hinsicht: Vertrauen zwischen Arzt und Patient, eine offene Kommunikation und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit haben einen ganz entscheidenden Anteil am Erfolg der HIV-Therapie. Lebensgewohnheiten und die Alltagsgestaltung von Betroffenen, aber auch mögliche Begleiterkrankungen sind zu berücksichtigen. Der richtige Zeitpunkt für den Beginn der Behandlung einer HIV-Infektion wird individuell mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin festgelegt; Leitlinien geben dabei Orientierung. Besonders günstig ist es, wenn die HIV-Infektion früh entdeckt wird. Aber selbst im Fall einer späten Diagnose, wenn bereits HIV-bedingte Erkrankungen aufgetreten sind, kann sich der Gesundheitszustand des Betroffenen durch die antiretrovirale Behandlung wieder deutlich verbessern.

Die Medikamente gegen HIV sind in der Regel gut verträglich. Nebenwirkungen können jedoch – wie bei jedem anderen Medikament – auftreten, im Fall der HIV-Medikamente sind es Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen oder Hautausschläge. Sie kommen jedoch nur bei einem kleinen Teil der Patienten vor und sind dadurch zu beherrschen, dass die auslösende Substanz durch eine andere, für den Betroffenen gut verträgliche Substanz ausgetauscht wird. Ein ernstes Problem ist die Entstehung von Viren, die gegen eines oder mehrere der verwendeten Medikamente un-empfindlich („resistent“) sind. Solche Resistenzen entstehen durch Veränderungen im Erbgut des HIV, sogenannte Mutationen, und sie führen dazu, dass die Medikamente keinen Angriffspunkt mehr finden. Um dies zu verhindern, ist eine möglichst gleichbleibend hohe Medikamentenkonzentration im Blut, also die zuverlässige regelmäßige Einnahme wichtig.

HIV-positiv und wirksam behandelt

Durch die Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten (ART) gelingt es in vielen Fällen, die Menge an Viren (Viruslast) bei HIV zu senken. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze mit einer erheblichen Verringerung der Infektiösität einhergeht: Aktuelle Studien weisen keine Fälle mehr auf, bei denen HIV auf den Partner oder die Partnerin übertragen wurde, wenn eine stabile Reduzierung der Viruslast unter der Nachweisgrenze vorliegt. Um die Wirksamkeit der ART aufrecht zu erhalten, ist eine regelmäßige und andauernde Medikamenteneinnahme sehr wichtig. Genaue Informationen zum persönlichen Risiko können im Rahmen eines Beratungsgesprächs bei einer AIDS-Beratungsstelle, AIDS-Hilfe, im Gesundheitsamt oder bei HIV-Schwerpunktärzten besprochen werden.

Kann vorbeugend behandelt werden?

Alle Versuche, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln, waren bisher ohne Erfolg. Trotz weltweiter Forschung gibt es bisher weder eine „vorbeugende Impfung“, die vor einer Infektion schützt, noch eine „therapeutische Impfung”, die das Immunsystem stärkt und bei einer HIV-Infektion die Ausbreitung der Viren verhindert. Jedoch besteht die Möglichkeit, einer Infektion mit oraler Medikamenteneinnahme vorzubeugen. Diese sogenannte Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) kann eine HIV-Infektion verhindern, wenn im Blut und den Schleimhäuten ausreichend antiretrovirale Medikamente vorhanden sind. Diese können eindringende Viren rasch bekämpfen und deren Vermehrung verhindern. In der Praxis würde dies bedeuten, dass ein HIV-negativer Partner vor ungeschütztem Sexualkontakt mit einem sicher oder möglicherweise HIV-infizierten Menschen antiretrovirale Medikamente einnimmt. Die hohe Wirksamkeit der PrEP ist durch zahlreiche Studien belegt, wobei diese von der zuverlässigen Medikamenteneinnahme abhängt. Hierbei ist die Medikamentenkonzentration bei Eintritt des Virus von Bedeutung. Bei einer seltenen oder kurzweiligen Einnahme ist der Wirkstoffspiegel zu gering und die PrEP schützt nicht. Da das Medikament in den Schleimhäuten des weiblichen Genitaltrakts schneller abgebaut wird, ist besonders bei Frauen eine regelmäßige Einnahme wichtig. In Deutschland muss die PrEP vom Arzt verschreiben werden.

Post-Expositionsprophylaxe (PEP)

Nicht alles lässt sich vorhersehen oder vorausplanen: In manchen Situationen gibt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein hohes Risiko, sich mit HIV anzustecken. Beispiele hierfür sind die Verletzung an einer Nadel, die mit dem Blut eines HIV-Positiven in Kontakt war, oder auch das Reißen eines Kondoms, wenn einer der Partner HIV-positiv und nicht ausreichend behandelt ist. In solchen Situationen kann die Post-Expositionsprophylaxe (PEP) zum Einsatz kommen: Hierbei werden in bis zu 28 Tage antiretrovirale Medikamente eingenommen, um eine Ausbreitung des Virus im Körper zu verhindern. Die Richtlinien für eine solche Behandlung werden regelmäßig von der Deutschen AIDS-Gesellschaft überprüft und aktualisiert. Wichtig ist, sofort, möglichst bis 24 Stunden nach der Risikosituation mit der Behandlung zu beginnen. 72 Stunden nach dem Eintritt des Virus kann die Wirksamkeit einer PEP nicht mehr sichergestellt werden. Welche Zentren in Bayern die Post-Expositionsprohylaxe 24 Stunden am Tag anbieten, ist nachzuschauen unter aidshilfe.de