Wirkungsweise des Virus
Das menschliche Immundefekt-Virus HIV befällt in erster Linie wichtige Zellen des körpereigenen Abwehrsystems, die T-Helferzellen (auch T4- Helferzellen, CD4-Zellen oder CD4-Lymphozyten genannt) und die Fresszellen (Makrophagen). Außerdem können Nervenzellen betroffen sein. Die Viren dringen in die Zellen ein, nutzen deren Stoffwechsel, um sich massenhaft zu vermehren, und zerstören dabei die Wirtszelle. Die neu gebildeten Viren gelangen ins Blut und befallen weitere Zellen, die Infektion breitet sich immer stärker im Körper aus.
Reaktion des Immunsystems
Ab dem Zeitpunkt des Eindringens von HIV ist die Körperabwehr alarmiert. Innerhalb von sechs Wochen bildet das Immunsystem Antikörper gegen das Virus. Sie bekämpfen die unzähligen Viren, die laufend produziert werden, und können viele von ihnen vernichten. Die T-Helferzellen, die durch die Virusvermehrung zugrunde gehen, werden fortlaufend durch neue ersetzt. Mit der Zeit entwickelt sich eine Art Gleichgewicht, bei dem die Zahl der Viren im Blut relativ niedrig bleibt und die Zahl der T-Helferzellen im Normalbereich liegt.
Dieses Gleichgewicht kann jahrelang bestehen. Fünf Prozent aller HIV-Infizierten leben sogar 20 Jahre und länger damit, ohne zu erkranken. Bei den meisten Betroffenen jedoch nimmt die Zahl der T-Helferzellen im Lauf der Jahre kontinuierlich ab, das heißt es werden mehr Zellen zerstört als neue entstehen. Bleibt die HIV-Infektion unbehandelt, wird die Immunabwehr also immer weiter geschwächt, bis sie schließlich gar nicht mehr funktionstüchtig ist.
Die erste Zeit nach der Infektion
Eine HIV-Infektion verläuft nicht selten zunächst unbemerkt und viele Betroffene spüren nichts von dem Kampf, den ihr Immunsystem gegen die eingedrungenen Viren führt. Die starke Virusvermehrung in den ersten Wochen kann sich aber auch in einem grippeähnlichen Krankheitsbild äußern, das als „akute HIV-Infektion“ oder „Primärinfektion“ bezeichnet wird. Die recht unspezifischen Beschwerden, mit denen sich Betroffene oft einfach nur allgemein unwohl oder ein wenig erkältet fühlen, treten etwa ein bis vier Wochen nach der Ansteckung mit HIV auf und halten meist eine Woche bis 10 Tage an.
Die Primärinfektion
Anzeichen für eine akute HIV-Infektion können sein:
- Fieber
- Hautausschlag
- Gelenk- und Muskelschmerzen
- Halsschmerzen
- Lymphkontenschwellungen
- Appetitverlust, gelegentlich auch Übelkeit oder Durchfall
Treten solche Anzeichen auf und gab es in den letzten Wochen ein eindeutiges Risiko für eine Infektion mit HIV, können spezielle Tests schon zu diesem sehr frühen Zeitpunkt eine HIV-Infektion im Blut nachweisen. In der Regel gilt jedoch eine Wartezeit von 6 Wochen, die nach einem Risikokontakt vergangen sein sollte, bevor ein HIV-Antikörper-Test ein sicheres Ergebnis bringt.
In der Zeit der Primärinfektion ist die Viruslast, also die Zahl der Viren im Blut, besonders hoch, sie kann pro Milliliter Blut bei mehreren Millionen HIV liegen. Diese Zeit, in der die Betroffenen in der Regel noch nichts von ihrer Infektion ahnen, ist auch die Zeit der höchsten Infektiosität!
Das Immunsystem schlägt zurück – zunächst
Mit dem Einsetzen der Immunreaktion und einer ausreichenden Produktion von Antikörpern bringt der Körper die HIV-Infektion in den folgenden Wochen und Monaten unter Kontrolle, es stellt sich ein gewisses Gleichgewicht ein mit oft niedrigen Viruszahlen und einer normalen Anzahl von T-Helferzellen im Blut, die nur sehr langsam abnimmt. In dieser asymptomatischen Phase, die wenige bis viele Jahre andauern kann, sind die Betroffenen beschwerdefrei und voll leistungsfähig. Wann mit der Behandlung mit HIV-Medikamenten begonnen wird, ist eine persönliche Entscheidung, die Betroffene gemeinsam mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin treffen müssen.
Die Viren gewinnen – aber nur wenn die Infektion nicht behandelt wird
Glücklicherweise sterben heute nicht mehr so viele Menschen an AIDS wie in den ersten beiden Jahrzehnten der HIV-Epidemie. Vor 1996, als es noch keine ausreichend wirksamen Medikamente gab, ließ sich das Fortschreiten der Infektion kaum aufhalten. Heute dagegen stehen sehr gute Medikamentenkombinationen zur Verfügung, die – bei rechtzeitigem Einsatz – eine Zerstörung des Immunsystems weitgehend verhindern können und den Betroffenen eine annähernd normale Lebensqualität und Lebenserwartung ermöglichen. Die wichtigste Ursache für die zum Glück selten gewordenen AIDS-Todesfälle ist jetzt die späte Diagnose der Infektion. Denn wird HIV erst dann nachgewiesen, wenn das Immunsystem schon stark geschwächt ist, ist die Behandlung häufig viel schwieriger – aber natürlich auch und gerade dann besonders wichtig!
Wird eine HIV-Infektion nicht behandelt, gewinnen nach und nach die Viren die Oberhand: Die Viruskonzentration im Blut steigt und die T-Helferzellen werden immer weniger. Schließlich ist das Immunsystem so geschwächt, dass es Krankheiten nicht mehr wirksam bekämpfen kann. In dieser Phase wird die HIV-Infektion symptomatisch, das heißt, es treten immer häufiger Anzeichen und Beschwerden auf, die eine Folge des zunehmenden „Immundefekts“ sind. Unbehandelt kommt es schließlich zum weitgehenden Zusammenbruch des Immunsystems und in Folge zu Erkrankungen und Infektionen, bei deren Auftreten die Diagnose „AIDS“ gestellt werden muss. Denn „AIDS“ steht für „Acquired Immune Deficiency Syndrom“, übersetzt „erworbenes Immunschwäche-Syndrom“ – eine Gruppe oft lebensbedrohlicher Infektionen und Krankheiten, deren Ursache die durch HIV verursachte Immunschwäche ist. Dazu gehören beispielsweise Lungenentzündungen, Gehirnabszesse, Tuberkulose oder Speiseröhrenentzündungen mit Schluckstörungen und Gewichtsverlust. Sie werden durch Erreger hervorgerufen, die dem gesunden Immunsystem nichts anhaben können und deshalb „opportunistische Erreger“ genannt werden.